Informationen für Angehörige und FreundInnen
Diese Seite wendet sich an Angehörige und Freundinnen und Freunde von Frauen und Mädchen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben.
Sie soll dazu beitragen, mögliche Unsicherheiten, die beim Umgang mit einer vergewaltigten Frau oder einem Mädchen entstehen können, abzubauen.
Allgemeines über die Problematik
Eine Vergewaltigung ist die extremste Form von sexualisierter Gewalt, mit der Männer ihre Macht über Frauen demonstrieren. Entgegen der weit verbreiteten Vorstellung, dass eine Vergewaltigung von einem fremden Täter verübt wird, werden 70 – 80% aller Vergewaltigungen von Tätern aus dem näheren Bekanntenkreis der Frau begangen. Jede Vergewaltigung ist eine massive Persönlichkeitsverletzung und ein schwerer Angriff auf die psychische und die physische Unversehrtheit einer Frau.
In der Vergewaltigungssituation erleben die Frauen, dass sie der Willkür und der Macht des Täters ausgeliefert sind. Sie fühlen sich ohnmächtig, hilflos und einsam. Sie haben zu diesem Zeitpunkt keine Macht, die Situation positiv zu beeinflussen.
In der Zeit nach einer Vergewaltigung sind die Reaktionen der Umwelt für die betroffene Frau sehr wichtig. Insbesondere der Kontakt zu den nächsten Vertrauenspersonen kann für eine Verarbeitung der Gewalterfahrung von Bedeutung sein. Bei Bezugspersonen und Angehörigen steht der Wunsch zu helfen häufig im Widerspruch zu Gefühlen wie Ratlosigkeit, Unsicherheit oder Überforderung.
Mögliche Reaktionen der betroffenen Frau nach der Tat
Eine Vergewaltigung löst immer einen schweren Schock aus, völlig unabhängig davon, welche Reaktion die Frau zeigt. Betroffene Frauen können unmittelbar nach der Vergewaltigung verschiedene Reaktionen zeigen. Sie erscheinen ruhig und gelassen, andere weinen viel, können sich tagelang nicht beruhigen, nicht schlafen, nicht entspannen. Wieder andere wirken nach außen erstarrt, verstört und leer, so, als ob alles in ihnen tot wäre. Es kann auch sein, dass eine Frau erst einmal über das Vorgefallene spricht, sich danach aber völlig verschließt, auch engsten Vertrauten gegenüber.
Die Art des Verhaltens in dieser Schockphase lässt keine Aussage darüber zu, wie schlimm die Betroffene die Vergewaltigung letztendlich erlebt hat.
Die Wünsche und Bedürfnisse der Frauen können individuell sehr unterschiedlich sein, sollten jedoch immer respektiert werden. Nur die Betroffenen selbst können wirklich beurteilen, was ihnen hilft.
Wenn Sie eine Angehörige oder Freundin, die vergewaltigt wurde, unterstützen wollen
Zeigen Sie ihr, daß Sie offen für Gespräche und bereit sind, Sie mit allen ihren Gedanken, Gefühlen und Reaktionen zu akzeptieren.
Versuchen Sie dabei, unvoreingenommen zuzuhören. Zweifel an dem Gesagten und Fragen danach, ob sie sich nicht hätte erfolgreicher wehren können, verursachen Schuldgefühle und belasten die Betroffene zusätzlich.-
Die Verantwortung für die Tat liegt eindeutig bei dem Täter!
Drängen Sie Ihre Freundin/Angehörige nicht, über das Erlebte und ihre Gefühle zu sprechen. Lassen Sie sie den Zeitpunkt für ein Gespräch selbst bestimmen.
Helfen Sie ihr, die Kontrolle über ihr Leben zurückzuerlangen, indem Sie keine Entscheidungen (z.B. Anzeigeerstattung) über ihren Kopf hinweg treffen bzw. sie dazu drängen. Erzählen Sie nichts ohne ihr Einverständnis weiter. Jeder Schritt muß mit der Betroffenen abgesprochen werden, da eine erneute Grenzüberschreitung die Ohnmacht und Entwertung aus der Vergewaltigungssituation wiederholen würde. Deshalb geben Sie keine gutgemeinten Ratschläge, sondern hören Sie darauf, was die Betroffene selbst an Unterstützung möchte.
Dazu kann die Organisation weiterer Schutzmaßnahmen gehören, wie z. B.
- Anwesenheits- oder Übernachtungsangebote, wenn sie nicht allein in der Wohnung bleiben will
- Telefonkontakte knüpfen
- die Begleitung in einen Notruf, zur Ärztin, Polizei etc.
- Wichtig ist, daß die Betroffene sich im Alltag wieder sicher fühlen kann!
Lassen Sie der Betroffenen Zeit für die Verarbeitung. Erwarten Sie nicht, daß sie schnell wieder „die Alte“ ist. – Besonders für PartnerInnen der Frau kann das eine schwierige Aufgabe sein, weil die Betroffene vielleicht Ihre Nähe nicht ertragen kann, für sie Sexualität auch über längere Zeit negativ besetzt ist und/oder ihre Gefühle und Empfindungen wie betäubt oder beeinflußt von schmerzlichen Erinnerungen sind.
Für alle Angehörigen und FreundInnen gilt
Es ist ganz natürlich, wenn Sie sich mit alledem überfordert fühlen.
Vielleicht sind Sie wütend auf den Täter und denken an Rache.
Vielleicht fühlen Sie sich hilflos, verunsichert oder haben selbst Schuldgefühle, weil Sie meinen, Sie hätten die Gewalt verhindern können oder müssen.
Nicht nur für die vergewaltigte Frau selbst, sondern auch für Freundschaften und Beziehungen und das Weltbild der Angehörigen kann eine Vergewaltigung eine massive Belastung bedeuten.
Beachten Sie Ihre eigenen Grenzen!
Ebenso wie die betroffene Frau haben Sie das Recht darauf, sich Hilfe zu holen.
Zur eigenen Unterstützung und Entlastung können Gespräche mit anderen Menschen hilfreich sein. Sich beraten zu lassen und selbst Unterstützung in Anspruch zu nehmen, ist keineswegs ein Eingeständnis der eigenen Unwissenheit oder Unfähigkeit, sondern vielmehr ein Zeichen von verantwortungsbewusstem Handeln gegenüber der Betroffenen und sich selbst.
Kontakt
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